Disfunktionales Elternhaus und die Folgen

Disfunktionales Elternhaus und die Folgen

Meist versteht keiner wirklich, warum passiert, was passiert. Die Eltern gehen davon aus, dass sie «das Richtig» für ihre Kinder tun. Bestenfalls lesen sie Ratgeber, besprechen sich in der Kita und handeln nach dem Motto: Wir tun alles nach pädagogisch wertvollen Tipps und Hinweisen. Es gibt jedoch auch wichtige Ratschläge, die leider oft auf taube Ohren stossen,

zum Beispiel: "Nehmen sie sich Zeit für ihr Kind, legen sie das Smartphone weg, zeigen sie ihrem Kind, dass es wichtiger ist". Traurigerweise scheint genau dieser Rat von vielen jungen Müttern überlesen und überhört zu werden. Auch die damit einhergehenden Risiken sind oft nicht bekannt. 

Ohne dass einer beginnt hinzuschauen, die Situationen ernsthaft hinterfragt und Lösungen sucht, geben wir weiter was wir können – ohne unseren Horizont zu erweitern.

Um seine dysfunktionale Familienprägung zu heilen, muss man erst sich selbst verstehen und heilen. Um diesen Schritt zu tun, muss man zuerst die Dynamik von dysfunktionalen Familien verstehen. Nachstehend 7 Hinweise, die dir dabei helfen können, den ersten Schritt zu tun:

1.     Emotionaler Missbrauch

In dysfunktionalen Familien ist mindestens einer der Elternteile nicht fähig, sich emotional selbst zu regulieren, darum nutzen sie ihre Kinder, um sich zu stabilisieren. Die Kinder werden emotional missbraucht, da sie oft schon früh Funktionen in der Familie übernehmen, die der instabile oder beide Elternteile negierten oder einfach delegieren. In der Regel werden die Kinder oder der Partner beschuldigt, um die eigene Unzufriedenheit zu kaschieren. In gewaltbereiten Familien werden sie auch gerne handgreiflich gegenüber schwächeren, solange, bis sich diese wehren. Dann eskaliert das Ganze, oder es wird ein schwächeres Opfer gesucht.

Kinder solcher Eltern laufen oft bis ins Erwachsenenalter und darüber mit Schuldgefühlen und Scham durch die Welt. Sie haben nichts getan, aber sie waren dort. Wenn sie dann wiederum Eltern werden, sich keine Hilfe in Form von Therapie geholt haben, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass auch sie zu einem missbräuchlichen Elternteil werden.

2.     Grenzüberschreitungen

In dysfunktionalen Familien ist ungesunde, gegenseitige Grenzüberschreitung gang und gäbe. Die persönlichen Grenzen der einzelnen Familienmitglieder werden nicht geachtet und respektiert. «Deins ist meins» ist oft auch ein Anzeichen für Grenzüberschreitungen. Das kann sich um Essen, Gegenstände oder sogar Menschen handeln. Auf die Bedürfnisse der Kinder, auf ihre Wünsche, wird in dysfunktionalen Familien nur oberflächlich, wenn überhaupt, Rücksicht genommen. Die Kinder lernen, dass «Nein» die einzige Option ist.

Wenn Du später also Probleme mit «Nein» sagen hast, kann es sein, dass von dir und dem Frieden zuliebe ein «Ja» gefordert und erwünscht war. In diesem Fall kann es auch sein, dass Du das gleiche von deinen Kindern heute erwartest

3.     Was deine Eltern dir vorgelebt haben

Wird die Grundlage für dich und dein Leben. Wenn deine Eltern eine schlechte und emotional unausgeglichene Vorlage boten, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch Du in diese Richtung neigst. Es ist nie zu spät zu erkennen, wo man die «Eltern Muster» lebt und wo man es wirklich besser machen kann.

Aufgrund innerer und ungelöster Konflikte waren sie nicht in der Lage ein selbst erfülltes Leben zu führen. Das hast Du vielleicht gemerkt und es als «normal» angenommen. Wir lernen durch beobachten und nachahmen. Tatsächlich haben Wissenschaftler herausgefunden, dass lediglich 10% der Erziehungsmassnahmen (Bsp. tu dies und tu jenes) als Prägung feststellbar sind.

DAS VORBILD macht die restlichen 90% aus!

Kinder übernehmen unbewusst die Verhaltensweisen und Gedankenmuster der Eltern. Sie kreieren sich so ihre Zukunft nach dem Vorbild ihrer Eltern. Unbewusst und so lange, bis wir anhalten und hinschauen.

Wenn Du feststellst, dass Du dich wie deine Eltern verhältst, dies aber nicht förderlich ist für dich, deine Beziehung und Familie, dann weißt Du jetzt vielleicht warum.

Selbsterkenntnis ist der erste Schritt in Richtung Veränderung!

4.     Emotionale Armut, Kälte und Zurückweisung

Dysfunktionale Familien kann man mit der Wüste oder der Antarktis vergleichen. Es sind immer Extreme.

Wenn gestern noch liebevolle Zuneigung gezeigt wurde,  kann es heute schon wieder umschlagen, wie wenn nichts gewesen wäre. Umarmungen, körperliche Nähe, Kuscheln oder ein Küsschen kennen viele, später emotional Abhängige Menschen, seit frühester Kindheit nicht. Aber sie hoffen und wünschen es sich so sehr. Was sie aber meist bekommen ist harsche Kritik, sie werden verspottet oder es werden Ansprüche gestellt, denen das Kind niemals gerecht werden kann. Kommunikation ist ebenfalls ein Fremdwort und Worte werden meist nur benutzt, um abzuwerten was man als Elternteil an sich selbst nicht mag oder akzeptiert.

Kinder solcher Eltern haben oft mühe, ihre wahren Gefühle zu zeigen oder andere wissen zu lassen, dass sie ihr Gegenüber mögen. Ebenfalls schwer fällt ihnen, die Leistung anderer zu Loben oder anzuerkennen. Nichts ist unmöglich, ausser Du akzeptierst es wie es ist. Auch solche Erwachsenen können lernen, sich auf ihre Gefühle zu verlassen, sie auszudrücken, ohne dass sie ein Replay ihrer Kindheit erwarten müssen.

5.     Egospiele und Machtkämpfe

Dysfunktionale Eltern bekommen  auch Kinder, diese sind jedoch vom ersten Tag an eine Herausforderung der besonderen Art. Schreien des Säuglings wird schon bald zu einer lästigen Plage und der Kampf beginnt. Das Kind wird liegen gelassen, schreiend – oder wird sogar durchgeschüttelt, wenn die Nerven blank liegen. Das Baby soll es LERNEN! Ist die Ansage. Dabei sollte man eigentlich annehmen, dass diesen Eltern auffällt, dass Kinder noch nicht logisch denken, ergo, die ganze Situation nur emotional erfassen können. Und was es fühlt ist Ablehnung, Ignoranz und Vernachlässigung.

Emotional vernachlässigte Kinder sind die Erwachsenen, welche Praxen von Psychologen, Suchttherapeuten, spirituellen Heilern und Coaches aufsuchen. Sie suchen Hilfe bei der Lösung ihrer Entwicklungstraumata, wollen heilen. Und das ist ein sehr guter Anfang, wenn man in einem dysfunktionalen Haushalt aufgewachsen ist.

6.     Bedingungen und Liebe gehen Hand in Hand

Bedingungslose Liebe funktioniert in dysfunktionalen Familien nicht. Es ist ein Anspruch der Leistung oder Gegenleistung erfordert. Wird dem nicht nachgekommen, erfährt das Kind, wie es sich anfühlt, wenn Liebe an Bedingungen geknüpft wird.

-       Wenn du schön brav bist, dann hat dich Mamma/Papa/Oma lieb

-       Wenn Du mich liebst, dann liebe ich dich auch

-       Wenn Du tust, was ich dir sage und will, habe ich dich lieb

Als Kind nicht bedingungslos, ohne Gegenleistung des Kindes, geliebt zu werden hinterlässt im Kind ein Trauma. «Ich bin nicht liebenswert, wenn ich nichts dafür tue». Ein weit verbreiteter Glaubenssatz. Man geht davon aus, dass man «anders» sein muss, aussergewöhnlich und nur durch Leistung liebenswert ist. Der Wert der Liebe wird am Wert der Leistung gemessen.

Liebe deinen Nachbarn wie dich selbst, so steht es in der Bibel. Wenn Du selbst aber dich nicht lieben kannst, wie sollst Du deinen Nachbarn lieben? Der erste Schritt in die richtige Richtung wäre, sich selbst kennen, schätzen und lieben zu lernen. Ein fast unmenschlich anmutender Anspruch, aber einer, der sich lohnt. Denn, wenn die Eltern dies nicht schaffen, dann leidet die nächste Generation unter denselben, unwerten Vorstellungen und die Geschichte wiederholt sich.

7.     Unklare Regeln und keine Kommunikation

In dysfunktionalen Familien wird selten offen und klar kommuniziert. Konfliktlösung findet so gut wie nicht statt, sondern wird durch eskalierende Meinungsverschiedenheiten ausgetragen und noch verschärft. Je nach Ausprägung folgen diesen Eskalationen stillschweigen, es wird verdrängt oder ausgesessen. Sie können weder vergeben, noch vergessen.  Manchen gelingt dies für Tage, anderen für Monate und noch eine Gruppe treffen wir oft an, diejenigen, die NIE vergeben. Viele Menschen leiden unter diesen Umständen und können doch nicht aus ihrer Haut.

Kommunikation und Konfliktlösungen finden, wird uns nicht in die Wiege gelegt, wir müssen es lernen.  Auch fehlen meistens klar kommunizierte Regeln, weshalb Tür und Tor für weitere Missverständnisse offenbleibt. Unklare Kommunikation, keine oder unklare Regeln führen dazu, dass der erwachsene Mensch mit zwischenmenschlichen Konflikten nur auf die erlernte und sehr schädliche Weise umgehen kann. Wenn man dies einsieht, dann gibt es Hoffnung, denn man ist nie zu Alt, um noch dazu zu lernen.

2018/19

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