In den meisten Fällen sind es Frauen. Ob Mutter, Stiefmutter, Grossmutter oder Ziehmutter, es ist ein weibliches Attribut, sich um die Kinder zu kümmern. Stell dir vor, eine liebevolle, fürsorgliche, manchmal auch etwas strenge und konsequente Mutter, hätte ihre Hand an deiner Wiege gehabt. Wäre das nicht ideal gewesen?
Auch wenn die Feministinnen da vielleicht anderer Ansicht sind, so sollten sie sich vielleicht ebenfalls einmal über diese Aussage Gedanken machen. Auch ihre Prägungen – 90% unseres Verhaltens - stammen aus ihrer Kindheit. Eine Mutter, die sich um ihre Kinder auch, und vor allem, um das emotionale Wohl ihres Kindes sorgt, ist eine Perle der Gesellschaft. Niemand ist perfekt, das gibt es nicht, aber meiner Meinung nach können wir es ganz sicher noch besser machen, als unsere Vor-Mütter.
Wie auch meine Geschichte zeigt, entsprachen die Hände meiner Mutter nicht denen einer einfühlsamen und zuverlässigen Mutter. Aber wie regierte und beeinflusste sie «meine Welt»?
Wie Du an verschiedener Stelle meiner Webseite lesen wirst, war meine Mutter selbst ein Kind mit gestörter Kindheit. Ihre Grossmutter war «die Hand an ihrer Wiege», denn die Mutter meiner Mutter hatte anderes zu tun. Es war auch eine «Schande», denn meine Mutter hatte keinen Vatereintrag im Kirchenbuch, darum war es üblich, die Kinder fremd zu geben. Oder eben zu den eigenen Eltern, den Grosseltern der Kinder.
Was zeigt mir diese Geschichte und wie hat sie mein Leben beeinflusst?
Es sollten Jahrzehnte des Suchens vergehen, bis ich endlich alle Puzzlestücke zusammen hatte. Meine Mutter war «ver-rückt» im Sinne von verschoben, nicht in ihrer Mitte. Was sie derart von sich selbst entfernt hatte, kann ich nur vermuten, die Auswirkungen jedoch, habe ich am eigenen Leib und in meinem Leben erfahren.
Wenn ich jetzt das Beispiel mit der Hand an der Wiege nehme und deren Auswirkungen in meinem Leben skizziere, dann macht es vielleicht auch für dich mehr Sinn.
Diese Hand war weder führsorglich noch sanft. Sie hatte kein Gefühl für Schmerz, weder für ihren Körper, noch für den Körper ihres Kindes. Sie war gespalten, manchmal folgte sie anscheinend einem inneren Wesen, und dann konnte ich sie fühlen, wie sie wirklich war. Dafür ging ich Meilenweit, denn dieser Aspekt von ihr war Suchtpotenzial pur, witzig, kreativ und liebevoll. Sobald sie jedoch etwas störte, sie unruhig wurde, kamen die anderen Seiten zum Vorschein. Das «ver-rückte» rückte in den Vordergrund. Es folgten harte Beschuldigungen, Vorwürfe ohne Halt, Schläge, wenn sie nicht mehr weiterwusste. Rasende Eifersucht gepaart mit abgrundtiefer Verzweiflung wechselten sich ab. Ich sah sie manchmal in ihren Augen, aber sie liess nicht zu, dass dies ein Thema wurde, sondern wehrte ab und mit jedem Mal, stärkte sie ihre eigene «Ver-rücktheit» mehr. Es gab Zeiten mit Alkoholsucht und Tabletten. Ich und meine Geschwister sahen zu, wie unsere Mutter am Mittag bereits den Wänden entlanglief. In diesem Zustand konnte sie natürlich nicht raus und so besorgten ich und meine Schwester den Einkauf. Meine Zuständigkeit war die «Aussenwelt», immer wenn es etwas zu reklamieren oder ähnliches gab war ich da und erledigte es. Das begann bereits ab meinem zehnten Lebensjahr Gewohnheit zu werden.
Wer war ich?
Ich lernte sehr früh, meine Umgebung emotional und mental zu scannen. Ich konnte manchmal schon auf dem nach Hause Weg spüren, was mich zu Hause erwartete. Ich las Gesten und Emotionen und war meist im Fluchtmodus, konnte aber nicht fliehen, bis ich fünfzehn Jahre alt war. Ich begann mich innerlich abzukoppeln, behielt einen Teil von mir hinter Verschluss. Das kann ich heute beurteilen, denn damals war es einfach eine Schutzhaltung die mir erlaubte, zu tun was ich zu tun hatte. Ich entwickelte einen Messerschafen Verstand und lernte diesen auch verbal einzusetzen. Ich erinnere mich an viele Situationen, in denen ich mich klein und verloren fühlte. Äusserlich erschien ich gross, stark und hart, wenn es darum ging, zu gewinnen. Dabei war ich nicht auf Gewinnen aus, sondern darauf, nicht weiter verletzt zu werden. Ich bin von Natur aus kein Fighter, sondern eher ein Fühlmensch, aber auch Fühlmenschen lernen, wie sie überleben und nutzen ihre Taktik, die Prägung, das Leben und Beispiel ihrer Eltern oder Verantwortlichen.
Schon sehr früh und bevor meinem fünfzehnten Altersjahr begannen die Fragen. Bin ich das wirklich oder nicht? Meine Mutter hatte die Tendenz, in mir alles Schlechte meines biologischen Vaters, ihrer Mutter und manchmal auch ihrer eigenen Grossmutter zu sehen. Ich fühlte mich ganz anders, aber sie sagte wie ich bin und sie war meine Mutter., die Hand an meiner Wiege. Es gibt viele Geschichten dazu, zusammenfassend muss ich sagen, es waren genau diese Fragen, die mir damals den Rücken stärkten, und sie tun es noch heute.
Und was für eine Mutter wurde ich?
Ich wurde erst spät, mit knapp 34 Jahren zum ersten Mal Mutter und mit 37 Jahren zum zweiten Mal. Durch den frühen Tod meines ersten Mannes, (nicht der Vater meiner Kinder), erlebte ich einen totalen reset. Daraus wuchs, was ich heute bin und was für eine Mutter ich wurde. Es war also ein extremes Erlebnis, meine Welt zerbrach nach zehn Jahren Beziehung. Alles was ich damals lernte, floss in mein Muttersein mit ein. Trotzdem blieben noch «Überreste» aus meiner Co-Abhängig-Borderline-Mutter übrig. Diese jedoch nur in meinen Partnerschaften und auch seeeeehr gut versteckt. Diese Anteile waren immer wieder dafür verantwortlich, dass ich unbewusst Verhalten an den Tag legte, welches ich erst heute zuordnen kann und damit auch frieden schliessen darf. Das Leben oder unsere Seele, sendet uns immer jemanden, der uns wieder «gerade» rückt.
Wir tun alle unser Bestes, darum, auch wenn ich vielleicht etwas «hart» und direkt schreibe, so weiss ich doch, dass meine Mutter, und meine Ahninnen ebenfalls, nur das taten was sie konnten. Die Zeit vergeht. Vielleicht ist es heute erst der richtige Moment, die alten Muster und Prägungen zu verstehen.
Mein Verhältnis mit den nunmehr erwachsenen Kindern ist sehr innig, kommunikativ aber auch immer wieder neu. Vom Moment ihrer Geburt an war ich neugierig. Ihre Entwicklung, wie sie Dinge taten oder sich selbst begannen zu behaupten, all das faszinierte mich und tut es immer noch. Noch bevor ich meinen Sohn in den Armen hielt, schrieb ich das Gedicht von Hand ab: "Eure Kinder von Khalil Gibran". Es hing, schön gerahmt, Jahrelang immer in der Nähe, um nicht nur mich, sondern auch andere die es bemerkten, daran zu erinnern. Auch der Satz: "Kinder sind Gäste, die nach dem Weg fragen" hat sich mir eingeprägt, denn oft behandeln wir Gäste besser als unsere Kinder. Ich bin dankbar, dass mein ewiges Fragen, nachdenken und verändern, dies zu einem grossen Teil möglich gemacht hat. Es zeigt mir auch, dass wir, auch wenn unsere Jugend nicht rosig war, doch im Verlaufe unseres Lebens die Weichen anders stellen können. Und es funktioniert :)
Mein Hauptaugenmerk war immer auf der emotionalen Seite unserer kleinen Familie. Wenn diese mitwachsen darf, dann sind die Chancen für die nächste Generation sehr gut.
Nika M Fischer
2018/19