Der sprichwörtliche "Himmel auf Erden", die Liebe des Lebens fühlt sich so lange gut an, bis der Bordi (wie sich manche auch selbst bezeichnen) seine Gefühlswelt als «bedroht, ausgenutzt, herabgewürdigt etc.» sieht. Dies tritt in den meisten Fällen, gemäss Aussagen von Betroffenen, früher oder später ein.
Die Reaktionsmuster des Co Abhängigen Menschen werden spätestens zu diesem Zeitpunkt die Beziehung als bedroht wahrnehmen. Von da an wird er alles tun, damit der Bordi nicht geht und Schluss macht. Dies wiederum empfinden die meisten Borderliner als «Bevormundung, einengend, übergriffig», und ziehen sich noch mehr zurück. Je nach Prägung, angefangen in der frühesten Kindheit, fahren beide ihre individuellen Schutzmechanismen hoch. Es sind nicht die Menschen, die sie sein könnten, sondern die, welche durch Prägung und Verhärtung über die Jahre aus ihnen wurden.
Was wollen sie wirklich? Beide suchen und wünschen sich auf ihre Weise Verbindung, Liebe, Verschmelzung – eins sein mit dem anderen. Das schwierigste an diesen Verbindungen ist, dass der Bordi keine «emotionale Pufferzone und Toleranzgrenze» hat. Das heisst: Wenn der Co Abhängige zum Beispiel Lösungswege und Therapieansätze sucht, gehen dem Bordi die Lichter aus. Für den Co Abhängigen eröffnet sich eine weitere unverständliche Welt, denn dieser oder diese möchte ja «nur», dass es ihm/ihr/uns gut geht. Unbewusst treibt den Co Abhängigen Partner ein "Leistung gegen Liebe" Muster. Der tiefe Wunsch, gesehen und geliebt zu werden, lässt den Co Abhängigen Dinge tun, die er oft im Nachhinein hinterfragt oder bereut.
Harmonie ist das Stichwort und dafür gehen Co Abhängige wie auch emotional abhängige Menschen sehr sehr weit. Co Abhängige sind meistens die Dienstleister und Organisatoren in einer solchen Beziehung. Was zu Anfang vom Bordi sehr geschätzt wurde, erfährt mit jedem Monat mehr, eine Abwertung. Die nächste Runde Streit, kaltes Schweigen und Missstimmung, gehen in die nächste Phase.
Eine Trennung von einem Borderliner wird in den seltensten Fällen in einem Mal gelingen. Das heisst: Schluss gemacht und jeder geht wieder seiner Wege. Das klappt in anderen Beziehungskombinationen mit dem Co Abhängigen nicht einfacher, aber das on- und off einer Co Abhängig/Borderline Beziehung ist sehr viel intensiver. Vor allem die erneuten Anfänge präsentieren sich wieder als Neustart im Stil von: «Jetzt ist alles viel besser», wir lieben uns doch. In vielen dieser Beziehungen, werden die Schlussmach Abstände immer kürzer. Körperliche, aber vor allem emotionale Belastungen beginnen sich zu zeigen.
Die Verschmelzung und symbiotische Beziehung, die ein Co Abhängiger mit einem Borderliner erlebt, zeigt vor allem in der Schlussmachphase ihr ganzes Ausmass. Nach einer intensiven Zeit mit dem Bordi, wissen die meisten Co Abhängigen nicht mehr so genau, welches ihre Gedanken und Gefühle sind und welche nicht. Sie verlieren schleichend, wie der Borderliner, das Gefühl für sich selbst und ihre Grenzen.
Wenn nicht beide Hilfe suchen und annehmen, wird die Beziehung, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit, immer wieder ein Wechselbad zwischen Himmel und Hölle bereithalten. Für den Bordi überwiegen mit der Zeit die «Höllenanteile, während für den Co-Abhängigen die «Himmelmomente» mehr Gewicht erhalten. Die meisten Borderline Betroffenen erzählen, dass sie Schwierigkeiten haben zu vergessen oder zu vergeben. Sobald sie sich unter Druck gesetzt fühlen, gerechtfertigt oder nicht, geht die dunkle Schublade, mit den dunklen Erinnerungen auf. Es wird alles wieder neu erlebt, vorgeworfen und das Gegenüber versteht die Welt nicht mehr, denn die meisten Co Abhängigen vergessen und verdrängen, damit es ja nur weitergeht. Im Gegensatz zum Bordi, halten sich die meisten Co Abhängigen an den «Guten Zeiten» fest. Und somit haben wir, genau betrachtet, die zwei Seiten einer Münze.
Gegenseitiges, oder einseitiges therapieren, macht die ganze Angelegenheit meist nur noch schlimmer – für Beide. Aber, es gibt auch Beispiele, wo sich Paare Hilfe und Coaching holten und somit auch neue Wege des Umgangs mit sich, dem Partner und in der Beziehung fanden. Es ist kein einfacher Weg, aber er beginnt immer mit dem ersten Schritt. Raus aus dem Kopf und dem Bauch des Anderen und zurück zu sich selbst. Das mögen viele, vor allem Co Abhängige fast als «Be-Drohung» empfinden, aber, und aus eigener Erfahrung, es ist das Beste für sich selbst und schlussendlich auch für die Partnerschaft.
Die Natur vieler Co Abhängiger ist, dass sie für die «Liebe» alles ermöglichen wollen und müssen. Sie sind die Vordenker und Versorger der Partnerschaft. Wenn der Bordi sich erdrückt fühlt, dann kann man vom Co Abhängen sagen, dass er sich noch mehr Gedanken mach, wie was und warum jetzt wieder.
Solche Beziehungen werden in den selteneren Fällen von den Co Abhängigen beendet, es sei denn, sie holen sich Hilfe und Unterstützung von aussen. Meist ist es der Borderliner, der, so es möglich ist, geht, die Beziehung beendet. Der Co Abhängige setzt alles daran, dass sie es noch einmal versuchen.
Die meisten Borderliner erzählen, dass es nach einer gewissen Zeit in ihnen wieder ruhiger und geordneter zugeht. Genau in dieser Zeit konnte der Co Abhängige wieder einen Fuss in die Beziehungstüre setzen und das «Himmel zur Hölle Szenario» begann von neuem. Bis zum nächsten Mal.
Die Borderliner und Co Abhängigen der Kriegs und Vorkriegsgeneration hatten die Möglichkeit sich zu trennen meist nicht. Sie harrten aus in den Familien, und die Folgen trugen und tragen noch heute ihre Nachkommen.
Und noch ein Interview, welches den «Anfang» einer Borderline Beziehung sehr gut beschreibt.
Der Anfang einer solchen Beziehung ist meistens sehr intensiv. Ein Borderliner fühlt sehr starke Emotionen und fokussiert diese auf den Partner, indem er den Partner idealisiert. Dieser wiederum fühlt sich in so einer Verbindung anfänglich wie im „siebten Himmel“, weil er – womöglich erstmals in einem Leben – das Gefühl erhält, absolut bedingungslos so angenommen zu werden, wie er wirklich ist. So empfindet er eine Art der perfekten Verbindung, die oftmals durch leidenschaftlichen, intensiven und in seiner Tiefe noch nicht erlebten Sex gefestigt wird. So entsteht eine intensive Bindung auf einer tieferen Ebene.
Mit Liebe hat diese Bindung nicht viel zu tun, gleichwohl wird sie meistens mit Liebe verwechselt. Die Anfangsphase einer solchen Verbindung erfüllt das urmenschlichste Bedürfnis, so angenommen zu werden, wie man ist. Angewiesen ist man als Mensch auf dieses bedingungslose Angenommen werden in der Phase, in welcher man gänzlich abhängig ist von den Eltern, etwa als Kind. Im Laufe des Erwachsenwerdens gelingt es den meisten Menschen, Kompetenzen zu entwickeln, dass dieses Bedürfnis nicht mehr diese existentielle Bedeutung hat, sie erlangen einen Grad an emotionaler Autarkie. Das zeigt, dass auch Menschen ohne Borderline Störung, abgespalten von einem Großteil ihrer Gefühle sind und ihr Leben im Wesentlichen aus der Konditionierung heraus leben – wahrlich ohne, sich dessen bewusst zu sein.
Diesen Grad an emotionaler Autarkie erreichen Borderliner allenfalls zeitweise; diese tiefe Sehnsucht ist bei ihnen in ungeminderter Heftigkeit und mit dieser existentiellen Bedeutung vorhanden. Ich würde das als Sehnsucht nach Symbiose bezeichnen. Entsprechend gelingt es ihnen auch, genau diese Sehnsucht in einem Partner zu wecken. Menschen, die selbst Schäden in der sensiblen Bindungsphase der ersten Lebensjahre davongetragen haben, sind hierfür besonders anfällig, auch wenn sie nach außen noch so autark sind, da das Bedürfnis damals nicht gestillt wurde.
Dieses Gefühl der tiefen innigen Verbindung ist keine Liebe. Es ist ein Bedürfnis nach einer Verschmelzung, es geht um Nehmen, nicht um Geben. Entsprechend haben auch Gefühle wie “ohne den Partner kann ich nicht leben” nichts mit Liebe zu tun. Wenn wir das Gefühl haben, dass uns etwas fehlt und wir glauben, dass wir es nur von einer anderen Person bekommen können, ist es keine Liebe, sondern Bedürftigkeit.
Die Crux an der Beziehung mit dem Borderliner ist, dass eine innige Verbindung in der beschriebenen Art von ihm nicht dauerhaft geleistet werden kann. Hier wird ein Bedürfnis geweckt, was nicht dauerhaft, sondern allenfalls kurz- bis mittelfristig erfüllt werden kann. Teil der Grundlage dieser Bindung ist die Idealisierung des Partners. Ohne diese Idealisierung kommt es nicht zu diesem symbiotischen Zustand. Durch die immer wieder erfolgte Bedürfnisbefriedigung verschärft sich auch das Gefühl von „ohne den Partner kann ich nicht leben“.
Auszug aus einem Interview mit Suzana Pavic auf «Der neue Mann» eine sehr interessante und aufschlussreiche Webseite.
Weiterführende Informationen und rest des Interviews findest Du HIER
Hat eine Beziehung unter diesen Umständen eine Chance?
Die Tendenz geht Richtung Nein, wenn sich die betroffenen nicht bewusstwerden, dass sie aus alten Verletzungen und Mustern heraus, ihre Schutzstrategien immer noch aktiv haben und anwenden. Unbewusst, aber nicht weniger schmerzlich für die Beiden, wiederholen sich die Situationen in ihrem Leben.
2/2019